Freitag, 31. März 2017

Sei der Fels in der Brandung



Es ist 16:43 und beide Kinder schlafen. Vor 20 Minuten habe ich noch gehofft, dass nicht gleich die Nachbarn, die Polizei oder gleich das Jugendamt vor der Tür steht.
Herzlich Willkommen in der Trotzphase.
Mimi, gerade 3, ist eine Meisterin in ihrer Kür hysterische Anfälle zu bekommen. Schreien, heulen, kreischen, das volle Programm. Und, ja, nicht nur zu Hause, sondern auch draußen. Wie jedes Kind.

Heute Morgen, 7:10 kroch sie zu mir ins Bett und hatte fertig geschlafen. Also standen wir auf und sofort diskutierten wir die Benutzung eines Taschentuches aus. Denn, Kindergarten Eingewöhnung bringt wöchentlich neue Schnupfen ins Haus. Wir sind gerade alle krank. Es ist März, seit Januar.
Baby darf noch weiterschlafen und wir versuchen leise auf dem Flur weiter zu sprechen (Ich). Ok, dann halt Nase Hochziehen, soll laut Wissenschaftlichen Erkenntnissen eh besser sein.
Anziehen? Nein.
Frühstücken? Nein.
Dann geh ich halt zu erst aufs Klo. NEIIIIN!!!!
Ich setzte Teewasser auf und Mimi verschwindet im Wohnzimmer. Wir einigen uns darauf, ins Kinderzimmer zu gehen, weil da die Anziehsachen sind.
Rosa T-Shirt? Nein!! Grünes Shirt. OK, meinetwegen.
Die Windel ist voll und es gibt einen Streit darüber sie auszuziehen und den Popo zu säubern, oder eben nicht. Hier setze ich mich durch, da gibt’s keine Alternative.
Windel ist doof, sie will keine neue. Ok, dann halt ohne. Hat letztens auch mal geklappt.
Hose an, Shirt an. Socken fehlen. NEIIIIIN!!! nicht die Baumwollsöckchen! Die dicken Wintersocken sollen es sein. Die Aufzählung meiner Gegenargumente wie Schwitzefüße und zu warm bei dem Wetter werden ignoriert.
Ich zieh ihr die warmen Socken an.
Im Hinterkopf: Sollen die im Kindergarten das regeln, wenn es ihr nachher nicht mehr passt.
Aber ich habe die erste Socke an den falschen Fuß gezogen, denn sie gehört auf den anderen.
Eh, Bullshit, denk ich mir und ziehe die andere Socke auch an, das sich windende und schreiende Kind jetzt innerlich auf Stumm schaltend, denn die Zeit drängt. Wir wollen ja noch Frühstücken.
Wir ja, sie nicht. Sie setzt sich aber trotzdem mit an den Tisch.
Auf ihrem Brettchen liegen zwei Stückchen Brot mit Camembert. Sie beißt zaghaft an einem Stück Käse an. Klappt beide zusammen und schreit, dass die falsch sind. Die müssen „So“ zusammengeklappt sein.
Ok, ich klapp sie auseinander, drehe sie etwas und klappe sie wieder zusammen.
Großes Geschrei. Das darf nicht zusammengeklappt sein.
Gut, dann halt nicht. Innerlich bis 10 zählen, Schluck Tee trinken und weiter im Programm.
Sie isst ein Stück und vom anderen den Käse. Da muss jetzt Honig drauf.
Ich schmier Honig drauf, sie leckt ihn ab. Jetzt muss da Frischkäse drauf.
Hier kurz vermerkt, der Papa ist genervt und geht Zähneputzen.
Brot mit Frischkäse bleibt liegen, es wird geweint, weil Papa so genervt aufgesprungen ist.

10 Minuten später geht die Tür und beide sind auf dem Weg zum Kindergarten.
Ich atme dreimal tief durch, noch dreimal, trinke meinen Tee und spüre endlich wie sich der Puls wieder beruhigt.
In dem Moment wird Baby wach und ich bin weiter Mutti.

Warum ich in diesen Fällen einfach gemacht habe, was das Kind wollte: Ganz einfach. Ist es nicht zwingend notwendig, seinen Willen durchzusetzen, lass das Kind machen. Mir war es egal, ob das Shirt rosa oder grün ist, die Windel an oder aus, Haare zum Zopf oder nicht. Der letzte Ratgeber den ich gelesen habe, riet mir das mal zu probieren. Ja, es kann klappen, man braucht aber viele Nerven. Denn das Kind hat gelernt, dass es einen Willen hat und wie es ihn auch kriegt. Ich erinnere mich noch genau wie ich damals über das Video im Netz schmunzelte, in dem sich die Mutter irgendwann neben das schreiende Kind im Supermarkt auf den Boden schmiss. Ja, du machst das wirklich. Irgendwann trifft es dich auch, dass du unter fremden Leuten stehst, ein hysterisch kreischendes Kind im Arm hälst und überlegst wie du aus der Situation wieder raus kommst.
Das Kind will in dem Moment Dinge, die manchmal so absurd sind, dass man eigentlich drüber lachen sollte. Macht man aber nicht. Man hockt unbequem auf dem Boden und umarmt das schreiende Kind. Zumindest in meinem Fall. Mit Logik und Vernunft kommt man da nicht weit.

Ich genoss die Zeit die mir blieb bis ich sie wieder aus dem Kindergarten abholen musste und legte mich mit Baby wieder schlafen. Schlimm sind diese Tage, wenn man selber von Erkältung und Halsweh geplagt ist.
Um 14:00 war ich dann am Kindergarten, mitsamt Baby und geplanter Nachmittagsunterhaltung und holte die Mimi wieder ab.
Wir gingen zum Gartencenter um Balkonblumen zu kaufen. Sie mochte den Laden, denn es gab da Aquarien, die man sich ansehen konnte. Und Blumengießen auf dem Balkon fand sie eigentlich auch immer ganz toll, darum war das eigentlich ein guter Plan.
Bis ich zuerst in den Außenbereich wollte um nach Blumen zu schauen.
NEIIIIN!!! Wir MÜSSEN doch zu den Fischen!
Gut, wir gingen zum Koi Becken und sahen uns die Fische an. Danach steuerte ich aber durch die Tür nach draußen, Kind zeterte noch immer, weil wir noch nicht bei den Aquarien waren. Mein Vorschlag durch die nächste Tür einfach wieder rein zu gehen, weil wir da direkt dann zu den Aquarien kommen, wurde schlichtweg nicht gehört.
AAAAAAHHHHNEIIIIIIIIIINNNNN!!!!!
Hören konnte uns zumindest jeder der gerade draußen bei den Hornveilchen war. Ich lobte die Blumen, zeigte und freute mich und schlug vor und war dennoch nur eine Meise im Hurrican.
Erst als wir uns wieder auf dem Weg nach Innen befanden, drei Blumen und Blumenerde im Körbchen verstaut, wurde das Jaulen leiser.
Bis sie ihren Willen bekam und wir bei den Aquarien waren.
Ja, natürlich mache ich da keinen Aufstand und sage Sachen wie „Wenn du nicht aufhörst, gehen wir!“, weil es auch einfach nichts, rein gar nichts an der Situation ändern würde. Das Schreien würde nur lauter werden. Also, merken: auch hier geht der Weg des geringsten Wiederstandes mal wieder am besten.
Wir guckten also die Fische an und gingen dann durch die Gartenmöbelabteilung. Richtung Kasse.
NEIIEIIIEIIIN!
Die Spielecke im Cafe. Ja, warum eigentlich nicht? Fragte ich mich und dachte mir, mit leiser Bitte wäre es auch gegangen, nur hätten wir damit weniger Aufmerksamkeit erzeugt. Ich teilte ihr diesen Vorschlag mit, aber sie war geistig schon in der Spielecke.
Wir parkten und ich organisierte mir einen Latte Macchiato und einen Heidesand Keks, den wir uns teilen konnten. Böser, böser Fehler! Sie wollte einen ganzen. Und ich hatte ihn durchgebrochen und von meiner Hälfte abgebissen.
Ich atmete einmal tief durch, ignorierte das Kichern vom Nebentisch und verzichtete auf meinen Teil. Sie schlug vor, ich könne ja immerhin den kleinen Keks essen, den es zum Kaffee dazu gab.
Andersrum geht es, oder war das jetzt die Situation wo ich den Schreikrampf kriegen sollte?
Ich bat am Ende auch nur etwa 10 mal ums Mitkommen und holte sie dann an der Hand aus der Ecke, diesmal zum Glück ohne Gebrüll.
Und sage und schreibe knappe zwei Stunden hatten wir auch Ruhe und fröhliches Werkeln auf dem Balkon. Sie kehrte die Krümel von einer Ecke zur anderen und ich topfte um, ließ dann von ihr gießen und alles war schön. Bis Babyboy anfing zu weinen, weil er müde war. Ich mit ihm ins Schlafzimmer verschwand und sie im Wohnzimmer alleine war, was ihr gar nicht passte. Sie kam ins Schlafzimmer hinterher, was ihm zu wuselig war und keiner fand Schlaf. Bis wir nach einem weiteren großen Streit darüber wo wir jetzt hingehen, ob ins Wohnzimmer zurück oder zurück ins Wohnzimmer, im Wohnzimmer landeten, auf dem Sofa, alle kuschelten und beide Kinder dann einschliefen.
Ach war das herrlich.
Smartphone Muttis zücken hier jetzt das Handy um Fotos zu machen.
Ich kochte Tee.
Das war auch gut, denn nach einer halben Stunde war die Ruhe wieder rum. Mimi weinte, weil Baby weinte. Nicht dass die halbe Stunde Schlaf da jetzt Besserung gebracht hätte. Weit gefehlt. Bis um 18:00 wurde geweint, geschrien, „kuscheln“ gerufen, „MAMA komm SOFORT her!“, und lauthals gebrüllt. Ich wechselte ebenfalls zwischen kuscheln und schreien, weil es mir langsam zu viel wurde. Ich hatte Kopfschmerzen, meine Erkältung sorgte für Kälteschauer und mir ging es einfach dreckig.
Irgendwie ging die Zeit dann auch vorbei und alle Kinder wurden wieder ruhig. Meine Knie und Füße taten schrecklich weh, weil ich eine halbe Stunde auf dem Boden gekniet hatte. Baby im Bondolino auf dem Rücken, Mimi im Arm und alle langsam vor und zurück geschaukelt. Vor und zurück. Vor und zurück.... während ich über dauerhaftes Knien als Foltermethode nachdachte.
Leider gab es diesmal keinen Weg des geringsten Wiederstandes, denn Händewaschen nach Blumenerde anfassen musste sein. Auf das Ausziehen der dreckigen Hose bestand ich auch und das Anziehen einer neuen Hose war auch nur sinnvoll. Hier mussten jetzt alle durch, mit Anlauf in den Trotzaufstand, standhalten und durchhalten.

Jetzt ist es 21:00 und ich gehe ins Bett. Das einzige was man an so einem Tag noch machen kann. Außer hoffen, dass der nächste besser wird.
Aber ich sag euch, liebe Mitmuttis, auch wenn ihr jetzt lacht, schimpft oder irgendwas schlechtes über mich und meine Erziehung denkt, euer Tag wird kommen. Und dann werdet ihr in erster Linie an das virale Youtube Video von vor ein paar Jahren denken. Und dann an meinen Blog.
Viel Spaß.
Man munkelt, das geht irgendwann vorbei.

Freitag, 24. März 2017

Die Beschäftigung der Kinder



Ich hatte dringend vor, meine Fenster zu putzen. Dringend. Denn das letzte Mal lag lange zurück. Lange vor dem letzten Winter und irgendwann als ich schwanger war und das als Grund nutzen konnte, damit mein Mann die Fenster putzt. Man ist ja schwanger, nicht blöde.

Vor zwei Tagen fing ich an, die Sonne schien, die große Mimi war jetzt im Kindergarten und der Papa auf der Arbeit. Besser gings nicht und so kam ich gut voran. Drei Fenster, samt Rahmen geputzt und sämtliche Marienkäferleichen aus den Zwischenräumen gekratzt.
Das dauerte länger als die Geduld eines 6 Monate alten Babys.

Heute wollte ich mein Werk nun vollenden. Es fehlten noch drei Fenster und die Balkontür. Die Mimi war heute zu Hause, da sie wieder mal einen Schnupfen hatte. Was nicht hieß, dass es ihr schlecht ging. Wir hatten zusammen gefrühstückt und mir wäre es am liebsten gewesen, wenn sie nun ein wenig gespielt hätte. Aber nein. Sie quengelte, lief hinter mir her und hielt mich an meiner Jacke fest, weil sie dabei sein wollte.

Was eine gute Mutter in diesem Fall getan hätte:
Sie wäre vermutlich mit dem Kind im Kinderzimmer verschwunden, hätte die Duplo Steine ausgekippt und eine halbe Stunde lang Häuser und Züge für die Filly Ponies gebaut. Das ganze mit einem riesigen, bunten Tuch als abenteuerliches Zelt verkleidet und mit Kissen ausgepolstert. Buntstifte und Zeichenpapier hineingelegt und womöglich noch ein Ausmalbild vorbereitet. Hörspiel an und kleingeschnittenes Obst und Gemüse auf kleinem Picknickdeckchen dargeboten und wäre dann zum Fensterputzen abgedampft, da das Kind stundenlang beschäftigt ist und schließlich auf den weichen Kissen noch zum Mittagsschlaf entschlummert.

Was ich getan habe:
Ich habe den Fernseher angeschaltet.
Ja, ihr Muttis, ich höre euren erschrockenen Aufschrei. Aber ja, ich habe dieses getan! Und bin damit sehr zufrieden gewesen.
Denn ich konnte in der mir zur Verfügung stehenden Zeit tatsächlich alle Fenster fertig putzen, das Schmutzwasser entsorgen, ein paar Eckchen im Wohnzimmer entstauben und sogar die Fenster wieder einräumen.
Das lag zum einen daran, dass mir zwischen Frühstück und Vormittagsschlaf des Lüttjen nicht viel Zeit bleibt. Bis alle aufgegessen haben und ich abgeräumt habe, ist es fast 9:00 und spätestens um 10:30 beginnt unser Baby wieder müde zu werden.
Zum anderen lag es aber auch einfach daran, dass ich * hüstel * keine Lust hatte, ein volles Bimbamborium aufzufahren, nur weil ich schnell etwas putzen wollte.
Und wir kennen ja unsere Kinder, schlägt man ihnen vor ins Kinderzimmer zu gehen, um dort alleine etwas zu spielen, machen sie ALLES, nur nicht alleine und in Ruhe spielen.
Nachdem sie mir das letzte Mal den Kühlschrank ausräumte und versuchte sich selber einen Pfannkuchen zu machen, habe ich gelernt, dass ein Kind, das man nicht hört, nicht unbedingt im Kinderzimmer sitzt und mit Bauklötzen spielt.

Zum Glück kann ich sagen, dass das Vormittagsprogramm von KIKA eine ganz passable Auswahl an schönen Kinderserien zeigt. Die Sesamstraße und Ben und Hollys kleines Königreich ist niedlich und mit Glück lernt das Kind sogar noch das ein oder andere. Das Programm ist gewaltfrei und wird nicht von buntflimmernder Werbung unterbrochen. Keine Katze versucht ihre Gegenspieler mit Dynamit aus dem Versteck zu sprengen und was unsere geliebte Baby Born Puppe jetzt beruflich macht, nachdem sie Arzt und Pferdepflegerin war, enthält man uns auch vor. Zwischendurch singt das blaue Kikaninchen ein Lied, das Kind dreht sich vorm Fernseher und sinkt dann wieder gebannt zu Boden, als der Mann mit dem roten Pulli eine Geschichte erzählt.
Währenddessen lutscht das kleinere Kind ganz gebannt an einem Holzspielzeug.

Ergo: ich habe wirklich mit dem geringsten Aufwand ein größtmögliches Fenster an Zeit zum Putzen erzeugt.
Wobei ich aber auch gut verstehen kann, wenn der Fernseher für viele Mütter zum Babysitter wird. Das Kind sitzt, rennt nicht rum und ist nicht laut. Auf Ansprache reagiert es nicht und auch nicht auf sämtliche Versuche mit Winken und Hüpfen auf sich aufmerksam zu machen. Das Kind ist geistig „weg“. So kann Mutter, Vater oder wer auch immer den Tag mit Smartphonegedudel verbringen, sich zum Kaffee verabreden oder sonstwas erledigen.
Erschreckend.

Mein Kind hat zum Glück nach einer knappen Stunde das Interesse verloren und wuselt zwischen mit und meinem Wassereimer herum. Was das ist, was ich mache und warum ich das mache muss ich erklären. Und warum ich das mache. Und warum ich das mache. Und warum.

Gegen kurz nach 10 bin ich fertig. Mimi guckt wie ich die Lappen ausspüle, Darius wird unruhig und möchte etwas trinken. Ich schalte den Fernseher aus und wir gehen ins Kinderzimmer um mit den Duplosteinen zu spielen. Warum ich Fenster geputzt habe, hat Mimi bestimmt immernoch nicht verstanden, hat sich aber über die Stunde fernsehen gefreut. Zudem war ich so schnell fertig, dass wir sogar noch Zeit für uns haben, bevor es wieder weiter geht im Programm und ich für Babyschlaf und Mittagessen sorgen muss.

Dienstag, 14. März 2017

Von kranken Kindern und der Suche nach dem Doktor



„Hallo! Ich bin der Dokor, ich bin hier um zu helfen!“ ein schönes Zitat meiner Lieblingsserie. Aber wie weit entspricht dieser kleine Satz der Realität?

Letzte Woche habe ich mir nichts sehnlicher gewünscht, wie einen Doktor, der diesen Satz zu mir sagt und dann meine Tochter ansieht.
Dienstag holten wir sie vom Kindergarten ab und merkten schon, dass das übliche „ich will nicht nach Hause“ diesmal doch etwas stärker ausgeprägt ist, denn der Papa musste sie sich irgenwann über die Schulter werfen und zum Auto schleppen. Absolut akute Verweigerung von allem war angesagt. Im Auto weinte sie noch ein paar Minuten, dann schlief sie ein.
Nach dem Abendessen stellte ich dann fest, dass sie fieberte.
„Schöner Mist!“ dachte ich mir, denn wenn das Fieber bis zum Morgen nicht wegging mussten wir einen Besuch zum Kindergeburtstag absagen.
Morgens hatte sie noch immer Fieber und bekam noch einmal Medizin, woraufhin das Fieber wieder runter ging. Aber nachdem sie mittags einen schönen langen Mittagsschlaf gehalten hatte war es wieder da. 40° und Kind war am Husten.
Auch am nächsten Tag fieberte sie weiter mit 39 und 40° und wir beschlossen Freitag zum Arzt zu gehen, falls das Fieber auch am nächsten Tag nicht weg wäre.
Praktischerweise war natürlich unsere Kinderärztin im Urlaub. Und da die vier anderen Kinderärzte hier in der Gegend somit vertretungsweise total überlaufen sind, telefonierte ich herum um mal zu fragen ob einer unserer Hausärzte nicht Kleinkinder ab 3 Jahren behandeln würde. Es wäre ja nur eine Erkältungskrankheit, kein Mumps-Röteln-Windpockenkram. Aber Praxis 1 sagte nein, nur in absoluten Notfällen und auch nur dann seeeehr ungern. Und Praxis 2 verneinte auch, erst ab 6 Jahren.
„Na,“ dachte ich, „Dann muss ich eben morgen doch alle Kinderärzte abtelefonieren.“

Und natürlich, das Fieber blieb weiterhin, stieg sogar noch auf 40,8° und war auch Freitag Morgen noch immer am wüten.
Somit fing ich dann ab 8:30 an zu telefonieren. Die Nacht war furchtbar und Papa und Fieberkind schliefen irgendwann zusammen auf der Wohnzimmercouch um mich und Baby nicht weiter zu stören. Denn in ihrem Wahn wollte sie ab halb 1 zuerst bei uns im Bett kuscheln. Dann aber wieder ins eigene Bett. Dann stand sie wieder auf und wollte im Wohnzimmer fernsehen. Dann stand sie etwas später nackt mit Zahnpasta und Zahnbürste bei uns im Schlafzimmer und wollte Zähne putzen. Noch etwas später kletterte sie auf ihre Spielzeugkisten und kam im Dunkeln nicht mehr runter. Und ab 3 kuschelte sie endlich in Ruhe mit Papa auf dem Sofa.
Wie zu erwarten war unsere Kinderärztin im Urlaub.
Vertretungsärztin 1 war aber Freitags gar nicht da, weil da der freie Tag der Praxis ist.
Vertretungsärztin 2 war aber auch im Urlaub! Ha, wer hätte das jetzt gedacht.
Vertretungsarzt 3 war da, aber die Sprechstundenhilfe sagte, das Wartezimmer sei so überfüllt, wir müssten wohl eine lange Zeit warten. Einen festen Termin könne sie mir nicht geben.
Nur wollte ich mit einem Kind von 3 Jahren und 40° Körpertemperatur nicht stundenlang auf Plastikstühlen sitzen.
Ich hörte von einer Allgemeinärztin hier im Ort, die auch Kleinkinder und Babys behandeln würde. Also rief ich da an und sagte, langsam verzweifelt, dass ich einen Arzt suche, der sich mal meine Dreijährige ansieht, die seit drei Tagen hohes Fieber hat.
Ob sie denn Patientin dort sei.
„Nein, wir sind sonst beim Kinderarzt, aber die sind alle voll oder im Urlaub.“
„Ja, wir nehmen aber leider keine neuen Patienten mehr auf.“
Schön! Schöne Scheiße!
Ein Kinderarzt blieb noch über, aber da dieser keine Vertretungen machte, vermutlich aus Altersgründen, war er wirklich nur eine kleine Hoffnung.
Ich erreichte dort tatsächlich jemanden der sich die Symptome meiner Tochter notierte und mit dem Arzt Rücksprache hielt, ob er denn hier eine Ausnahme machen und sich das ganze mal ansehen würde.
15 Minuten sollte ich warten, dann zurück rufen.
Man ist sich ja bei Kindern in dem Alter nicht sicher, ob es wirklich nur eine Erkältung ist, oder nicht etwas ernsteres dahinter steckt. Eine genaue Beschreibung der Leiden bekommt man nicht, wenn man Glück hat weiß man irgendwann dass die Haare weh tun und man den Kopf nicht anfassen darf. Und dass im Wohnzimmer ein Regenbogen ist, draußen bunte Lichter leuchten und da hinten etwas lilanes ist, was sie gerne haben würde. Was uns natürlich auch langsam etwas Angst machte. Ganz zu Schweigen davon dass sie seit zwei Tagen nichts gegessen und nur Saftschorle getrunken hat.
15 Minuten beobachtete ich also wie der große Zeiger auf der Uhr langsam voran kroch und diskutierte mit dem Papa über das Für und Wider in eine Praxis zu fahren in der man stundenlang warten müsste. Dann telefonierte ich erneut und bekam tatsächlich einen Termin.
Um 18:30 durften wir zum Doktor kommen.
Das war natürlich noch einen ganzen, langen Tag zu warten, aber besser zu Hause als zwischen 30 weiteren kranken Kindern. So konnte sie noch einmal schlafen, und in den Phasen wo das Ibuprophen wirkte etwas spielen.
Letztendlich saßen wir im Auto und fuhren zur Praxis. Nebenbei fragte das Fieberkind wieder was denn das da am Himmel sei. Der Mond wäre es nicht. Diese Halluzinationen waren schon echt gruselig.
Das Wartezimmer war leer, der Arzt hatte Wochenend Notdienst und deswegen nicht viel zu tun. Der Arzt kam, sah und notierte.
Ja und am Ende sollten wir nur weiterhin Fiebersaft geben, Ibuprophen und Paracetamol abwechseln und am Sonntag sollte das Fieber dann weg sein.
Etwas enttäuscht fuhren wir wieder nach Hause. Aber auch etwas beruhigt darüber, dass es ja doch scheinbar „nur“ Fieber war. Wenn auch sehr hoch. Und mit Halluzinationen. Und mit absoluter Appetitlosigkeit.
Der Samstag wurde auch noch kräftig durchgefiebert, wir wickelten am Ende noch die Waden um das Kind abzukühlen.
Leider steckte sich auch unser Babyboy an und schlief immer schlechter. So kam es dass ich nach einem Abend der sich mit Stillen und Beruhigen bis halb 1 hin zog, in tiefen Schlaf fiel. Und am Morgen erfuhr, dass der Papa mit dem Fieberkind ganz alleine eine 41,6° Katastrophentemperatur durchmachte. Zwischen 1 und 3. Auf dem Sofa mit Fiebersaft und ganz viel Kuscheln.
Aber tatsächlich war das Fieber am Sonntag weg. Das Kind war ausgebrannt, fertig, verschwitzt und müde von der Krankheit. Aber nachmittags aß sie einen Teller Nudeln und lud langsam ihre Akkus wieder auf.

Am Ende dieser Geschichte kann ich nur hoffen, dass sich in der nächsten Zeit etwas ändert, was die Anzahl der Ärzte hier in der Gegend angeht. Es kann einfach nicht sein, dass bei nur 5 Kinderärzten mehrere gleichzeitig Urlaub haben oder frei haben. Man kann sich ja schon gerade damit arrangieren dass der Arzt nur immer einen halben Tag lang Sprechstunde hat. Aber was wäre die Alternative? Ins 30 Minuten entfernte Kinderkrankenhaus fahren, weil das Kind Fieber hat und dort dann zwischen „echten“ Notfällen sitzen?
Wir brauchen hier wirklich einen Doktor. Einen guten, der bereit ist zu helfen!