Montag, 8. September 2014

Ritter, Reiter, Röstaromen


Es begab sich zu einer Zeit, da die Knechte den Rittern in die Rüstungen halfen. Die Kräuterfrauen ihre Heilkräuter dar boten, die Musketiere ihre Munitionsbeutel füllten und die Marketenderinnen ihre Hauben richteten. Der Herbst bringt hierzulande nicht nur Nüsse an den Bäumen und Äpfel mit Würmern drin, sondern auch beliebte und gut besuchte Mittelaltermärkte.
Einer von diesen illustren Märkten, oder auch Festen, fand am Anfang des Septembers statt.
Schon vor Wochen begannen unsere Vorbereitungen, wir nähten, bastelten und richteten unsere Gewandungen her. Mein Mann trug mit Vorliebe seinen Kilt und dazu passende Accessoires wie Trinkhorn und Tonfläschchen, Ledertasche und Elfenstiefel. Nunja, es sind keine richtigen Elfenstiefel, aber sie sehen ein wenig so aus. Auch Peter Pan hätte seine Freude daran. Aber sie passen unheimlich gut zum Outfit. Ich kombinierte zwei Röcke zu einem netten Lagen-Look, dazu ein kurzer Umhang mit Kapuze und Fell auf den Schultern. Am Rock trug ich meine Kräutersichel und ein Trinkhorn. So waren wir wirklich gut ausgerüstet.
Unsere Mimi bekam leider noch kein tolles Outfit, da es sich nun wirklich nicht lohnen würde, wo sie doch noch nicht laufen kann. Aber wir legten ein großes Schaffell auf das Kinderwagenverdeck um diesen ein wenig dem Anlass anzupassen.
Am Samstag starteten wir mittags, inmitten eines riesigen Unwetters, um diesem in nördlicher Richtung davon zu fahren. Nur um beim Aussteigen aus dem Auto davon wieder eingeholt zu werden. Wir hatten total unauthentische Schirme in der Hand als wir ohne Wegezoll zahlen zu müssen, die Zollstation passierten. Jaha! Mit Gewandung zahlt man keinen Eintritt. Und Gewandung ist in diesem Fall alles, was nicht nach H&M aussieht. Das kann ein Gothic-Outfit sein, oder ein pinkfarbenes Pannesamtkleid, ein Faschings-Plastik-Satin-Kleid, das letzte Halloweenoutfit oder irgendwas, was irgendwie historisch anmutet. Leider. Aber egal, Hauptsache freier Eintritt und Spaß!
Mimi hatte Freude daran, sich die vielen Leute anzuschauen. Wir trafen auch eine Freundin mit ihrer Tochter, mit der wir herum schlenderten. Nur als wir eine Kaffeepause machten und neben uns auf einmal ein Wildschweingesichtiger Riese auftauchte, der mit Dudelsack und Schellen laut Musik machte, bekam sie Angst. Der war aber auch gruselig.
Es war ein gemütlicher Nachmittag mit Met – für meinen Mann, Wasser aus dem Trinkhorn – für mich und Stillspaß unterm Umhang – für Mimi. Denn sie fand es unheimlich lustig, abwechselnd einen Schluck zu trinken und dann unterm Umhang heraus zu gucken um meine Freundin anzugrinsen.
Abends waren wir alle sehr erschöpft.
Was uns jedoch nicht davon abhielt, am Sonntag noch einmal hin zufahren! Das Wetter war schön, warm und trocken und wir schlüpften noch einmal in unsere Kleidung. Die jetzt auch total authentisch nach Feuerrauch stank und voller Schlamm am Saum war. Wir trafen uns wieder mit meiner Freundin, ihrer Tochter und ihrer Mutter.
Als wir zum Kaffeestand gingen, zog ein gewaltiges Unwetter über uns hinweg. Es regnete plötzlich wie aus Eimern und alle Leute verkrochen sich unter den wenigen, überhängenden Dächern. Schnell rannte ich zu meinem Mann, der mit Kinderkarre am Krepp-stand wartete und holte Schirm und Kinderwagenüberzug aus der Tasche. Packte alles regensicher ein und harrte dann wie alle anderen im Regen aus. Bis auf der anderen Straßenseite meine Freundin winkte und gestikulierte und das vor uns stehende Paar lachend auf die Karre zeigte. Wie sich herausstellte, sickerte Wasser durch den undichten Reißverschluss des Regenüberzugs. Und Mimi, gar nicht mal dumm, weiß: wenn man baden geht, muss man sich ausziehen. Sie hatte sich einen Schuh ausgezogen und ihn beim dritten Versuch geschafft aus ihrem kleinen Guckloch zu werfen. Der war natürlich nass. Aber das war auch nicht wirklich ausschlaggebend, denn Mimi freute sich bereits über das Bad in ihrer Karre.
Kurz darauf – ein Glück – hörte es auf zu Gatschen und wir konnten Kind und Karre sortieren. Ich hatte einen Ersatzpulli eingepackt und einen dicken Pulli zum Überziehen. Aber selbstverständlich weder Ersatzhose noch Body. Aber ein halb Nacktes Kind mit Pulli und Kapuzenpulli am Hintern, wobei die Kapuze die Füße wärmt, ist auch glücklich. Ihre Kuscheldecke ist trocken geblieben und Spaß hatte sie sowieso. Alles was mit Wasser zu tun hat, findet sie ja klasse. Bei Regen streckt sie auch ihre Zunge raus um Tropfen aufzufangen.
Auch die Tochter meiner Freundin hatte ihren Spaß. Während wir am Met-Stand warteten, grub sie in Seelenruhe im Schlamm zu unseren Füßen, denn sie hatte einen Regenwurm entdeckt. Zur Freude aller Umstehenden präsentierte sie ihn auch allen und brachte ihn dann in Sicherheit unter einen Busch.
Ja, da kommen noch lustige Dinge auf mich zu, dachte ich mir. Man darf ja da auch keinen Ekel zeigen. Hatte ich letztens doch schon erlebt, wie Mimi mit Neugier eine Schnake patschte, die an der Balkontür auf und nieder schwirrte. Brr. Vor Schaudern konnte ich kaum gucken. Aber so habe ich immerhin wieder einen Schnakenjäger im Haus, der Kater ist ja in die Jahre gekommen und mag nicht mehr so richtig.
Das tolle bei unserem Kind ist jedoch, dass man den ganzen Tag lang irgendwo herumlaufen kann und sie sich nicht dran stört. Weder Kanonenschüsse noch Festumzüge mit Posaunen und Trompeten, Menschenmengen, Geschrei und Gewusele, nichts bringt sie aus der Ruhe und überall findet sie im Gewühl auch noch ein Schläfchen! Bei Langeweile holten wir sie aus der Karre und ließen sie an den Händen ein paar Schritte laufen. Oder sie bekam einen Fruchtbrei am Rande der Lagerzelte. Was natürlich immer zu Entzückungsrufen der Bevölkerung führte. Was für ein niedliches Kind!
Nur das Autofahren findet sie manchmal ein wenig blöde: nach einem aufregenden Tag eine halbe Stunde lang dumm Rumsitzen und nichts sehen. So auch wieder an diesem Tage.
Langsam steigerte sich das letztens gelernte „A-bab-bab-baaa“ zu einem „Maaaaa – Maaaaa – babÄÄÄÄÄÄÄHH!“
Doch dieses Mal hatte der Mittelaltermarkt eine Lösung für die Ungeduld: Der Papa hatte ihr eine Schellenkette gekauft, mit der sie herumklimperte und an deren Glöckchen sie nuckelte bis wir zu Hause waren.

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