Es begab sich zu einer Zeit, da die
Knechte den Rittern in die Rüstungen halfen. Die Kräuterfrauen ihre
Heilkräuter dar boten, die Musketiere ihre Munitionsbeutel füllten
und die Marketenderinnen ihre Hauben richteten. Der Herbst bringt
hierzulande nicht nur Nüsse an den Bäumen und Äpfel mit Würmern
drin, sondern auch beliebte und gut besuchte Mittelaltermärkte.
Einer von diesen illustren Märkten,
oder auch Festen, fand am Anfang des Septembers statt.
Schon vor Wochen begannen unsere
Vorbereitungen, wir nähten, bastelten und richteten unsere
Gewandungen her. Mein Mann trug mit Vorliebe seinen Kilt und dazu
passende Accessoires wie Trinkhorn und Tonfläschchen, Ledertasche
und Elfenstiefel. Nunja, es sind keine richtigen Elfenstiefel, aber
sie sehen ein wenig so aus. Auch Peter Pan hätte seine Freude daran.
Aber sie passen unheimlich gut zum Outfit. Ich kombinierte zwei Röcke
zu einem netten Lagen-Look, dazu ein kurzer Umhang mit Kapuze und
Fell auf den Schultern. Am Rock trug ich meine Kräutersichel und ein
Trinkhorn. So waren wir wirklich gut ausgerüstet.
Unsere Mimi bekam leider noch kein
tolles Outfit, da es sich nun wirklich nicht lohnen würde, wo sie
doch noch nicht laufen kann. Aber wir legten ein großes Schaffell
auf das Kinderwagenverdeck um diesen ein wenig dem Anlass anzupassen.
Am Samstag starteten wir mittags,
inmitten eines riesigen Unwetters, um diesem in nördlicher Richtung
davon zu fahren. Nur um beim Aussteigen aus dem Auto davon wieder
eingeholt zu werden. Wir hatten total unauthentische Schirme in der
Hand als wir ohne Wegezoll zahlen zu müssen, die Zollstation
passierten. Jaha! Mit Gewandung zahlt man keinen Eintritt. Und
Gewandung ist in diesem Fall alles, was nicht nach H&M aussieht.
Das kann ein Gothic-Outfit sein, oder ein pinkfarbenes
Pannesamtkleid, ein Faschings-Plastik-Satin-Kleid, das letzte
Halloweenoutfit oder irgendwas, was irgendwie historisch anmutet.
Leider. Aber egal, Hauptsache freier Eintritt und Spaß!
Mimi hatte Freude daran, sich die
vielen Leute anzuschauen. Wir trafen auch eine Freundin mit ihrer
Tochter, mit der wir herum schlenderten. Nur als wir eine Kaffeepause
machten und neben uns auf einmal ein Wildschweingesichtiger Riese
auftauchte, der mit Dudelsack und Schellen laut Musik machte, bekam
sie Angst. Der war aber auch gruselig.
Es war ein gemütlicher Nachmittag mit
Met – für meinen Mann, Wasser aus dem Trinkhorn – für mich und
Stillspaß unterm Umhang – für Mimi. Denn sie fand es unheimlich
lustig, abwechselnd einen Schluck zu trinken und dann unterm Umhang
heraus zu gucken um meine Freundin anzugrinsen.
Abends waren wir alle sehr erschöpft.
Was uns jedoch nicht davon abhielt, am
Sonntag noch einmal hin zufahren! Das Wetter war schön, warm und
trocken und wir schlüpften noch einmal in unsere Kleidung. Die jetzt
auch total authentisch nach Feuerrauch stank und voller Schlamm am
Saum war. Wir trafen uns wieder mit meiner Freundin, ihrer Tochter
und ihrer Mutter.
Als wir zum Kaffeestand gingen, zog ein
gewaltiges Unwetter über uns hinweg. Es regnete plötzlich wie aus
Eimern und alle Leute verkrochen sich unter den wenigen,
überhängenden Dächern. Schnell rannte ich zu meinem Mann, der mit
Kinderkarre am Krepp-stand wartete und holte Schirm und
Kinderwagenüberzug aus der Tasche. Packte alles regensicher ein und
harrte dann wie alle anderen im Regen aus. Bis auf der anderen
Straßenseite meine Freundin winkte und gestikulierte und das vor uns
stehende Paar lachend auf die Karre zeigte. Wie sich herausstellte,
sickerte Wasser durch den undichten Reißverschluss des
Regenüberzugs. Und Mimi, gar nicht mal dumm, weiß: wenn man baden
geht, muss man sich ausziehen. Sie hatte sich einen Schuh ausgezogen
und ihn beim dritten Versuch geschafft aus ihrem kleinen Guckloch zu
werfen. Der war natürlich nass. Aber das war auch nicht wirklich
ausschlaggebend, denn Mimi freute sich bereits über das Bad in ihrer
Karre.
Kurz darauf – ein Glück – hörte
es auf zu Gatschen und wir konnten Kind und Karre sortieren. Ich
hatte einen Ersatzpulli eingepackt und einen dicken Pulli zum
Überziehen. Aber selbstverständlich weder Ersatzhose noch Body.
Aber ein halb Nacktes Kind mit Pulli und Kapuzenpulli am Hintern,
wobei die Kapuze die Füße wärmt, ist auch glücklich. Ihre
Kuscheldecke ist trocken geblieben und Spaß hatte sie sowieso. Alles
was mit Wasser zu tun hat, findet sie ja klasse. Bei Regen streckt
sie auch ihre Zunge raus um Tropfen aufzufangen.
Auch die Tochter meiner Freundin hatte
ihren Spaß. Während wir am Met-Stand warteten, grub sie in
Seelenruhe im Schlamm zu unseren Füßen, denn sie hatte einen
Regenwurm entdeckt. Zur Freude aller Umstehenden präsentierte sie
ihn auch allen und brachte ihn dann in Sicherheit unter einen Busch.
Ja, da kommen noch lustige Dinge auf
mich zu, dachte ich mir. Man darf ja da auch keinen Ekel zeigen.
Hatte ich letztens doch schon erlebt, wie Mimi mit Neugier eine
Schnake patschte, die an der Balkontür auf und nieder schwirrte.
Brr. Vor Schaudern konnte ich kaum gucken. Aber so habe ich immerhin
wieder einen Schnakenjäger im Haus, der Kater ist ja in die Jahre
gekommen und mag nicht mehr so richtig.
Das tolle bei unserem Kind ist jedoch,
dass man den ganzen Tag lang irgendwo herumlaufen kann und sie sich
nicht dran stört. Weder Kanonenschüsse noch Festumzüge mit
Posaunen und Trompeten, Menschenmengen, Geschrei und Gewusele, nichts
bringt sie aus der Ruhe und überall findet sie im Gewühl auch noch
ein Schläfchen! Bei Langeweile holten wir sie aus der Karre und
ließen sie an den Händen ein paar Schritte laufen. Oder sie bekam
einen Fruchtbrei am Rande der Lagerzelte. Was natürlich immer zu
Entzückungsrufen der Bevölkerung führte. Was für ein niedliches
Kind!
Nur das Autofahren findet sie manchmal
ein wenig blöde: nach einem aufregenden Tag eine halbe Stunde lang
dumm Rumsitzen und nichts sehen. So auch wieder an diesem Tage.
Langsam steigerte sich das letztens
gelernte „A-bab-bab-baaa“ zu einem „Maaaaa – Maaaaa –
babÄÄÄÄÄÄÄHH!“
Doch dieses Mal hatte der
Mittelaltermarkt eine Lösung für die Ungeduld: Der Papa hatte ihr
eine Schellenkette gekauft, mit der sie herumklimperte und an deren
Glöckchen sie nuckelte bis wir zu Hause waren.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen