Samstag, 2. August 2014

Schatten der Realität


Um 14:15 klingelte es an der Tür und Chrissy war da. Ich öffnete die Tür, meine Frisur war verwurschtelt und das T-Shirt voller Spuckflecken passte zur schlumpigen Jogginghose.
Sie betrat eine ordentliche Wohnung, wo hier und da etwas Spielzeug verteilt lag und eine gewisse Kinderanwesenheit anmerken lies. Auch das Spucktuch auf dem Sofa und die Nuckelflasche auf dem Tisch, umgeben von diversen Fernbedienungen, Telefonen, Zeitschriften und Taschentuchpackungen schufen eine Atmosphäre, die von den Sorgen einer gestressten Mutter erzählte, die es nicht geschafft hatte, Ordnung zu schaffen, bevor der Besuch eintraf.
Denkt ihr! Was ihr nicht wisst:

Nach einer Nacht, in der ich etwa 5 mal von einem herumquirlenden Krabbelwurm neben mir geweckt wurde, der ab und zu was trinken wollte und ansonsten Beschäftigung suchte, war ich morgens um 8 noch ziemlich knartschig, als Baby beschloss, wach zu bleiben.
Sie angelte nach meinem Buch, was auf der Ablage über ihr lag und das dann auch direkt auf sie drauf fiel.
„ÜüüüÄÄÄÄÄäääh!!“
Wach.
Ich ging Duschen, sie war unzufrieden. Normalerweise spielt sie in der Zeit noch etwas im Bett. Wir spielten auf dem Wickeltisch wieder ein Geschicklichkeitsspiel in dem es darum ging, dem windenden Wurm eine Windel umzuwurschteln. Diesmal alles ein wenig mit Zeitdruck, da wir mit der Oma auf den Markt gehen wollten. Kurz vor 11 verließen wir das Haus, ich hatte noch schnell einen Sack mit Altglas gepackt, und liefen die Treppen runter. Unten merkte ich, dass auch etwas an mir runter lief, denn irgendwas in dem Altglas war nicht leer gewesen. Geruchsmäßig stellte sich heraus, dass es Gott sei dank nicht die Flasche Rum war, sondern verdammte Axt: ein Breiglas in dem sich noch etwas Wasser vom Ausspülen befand. So roch ich zumindest nicht nach Alki sondern einfach nur ein wenig nach Mülltonne.
Als wir wiederkamen roch die Wohnung auch nicht mehr gut, denn der Kater hatte die ruhige Zeit für ein ausgewachsenes Geschäft in seiner Box genutzt. Mimi quengelte, denn sie hatte gerade geschlafen, als wir wieder zu Hause ankamen. Und auf dem Weg ins Kinderzimmer entdeckte ich noch zwei Kotzflecken inklusive Haarknäuel. Während ich Baby ins Bett legte und auf ein verlängertes Schläfchen hoffte, hoffte der Kater nicht erwischt zu werden, während er am Zugband der Jalousie nagte. Wurde er, denn ich hörte das Schmatzen hinter mir.
„Schimpfundzeter!“ zum Glück verstand Mimi meine Wortwahl nicht.
Dafür machte sie die Augen kurz zu und ich nutzte die Zeit um die Katzenkotze wegzuwischen und das Katzenklo zu säubern. Entdeckte dabei den riesigen Wäschehaufen, den ich gestern aus dem Wäschekorb gepult hatte um ihn zu waschen und schob ihn in die Küche.
Die Hälfte stopfte ich in die Waschmaschine, dann musste ich die Wäsche vom Wäscheständer auf dem Balkon abnehmen, damit auch wieder Platz zum Trocknen ist. Diese schaffte es aber nur in den Wäschekorb, denn Baby blubberte im Bettchen und wollte nicht mehr schlafen. Ich nahm sie mit in die Küche, denn ich wollte das Gemüse putzen, das ich auf dem Markt gekauft hatte. Wusch Zucchini und Möhren und probierte letztere. Mmmmh, sind die gut, vom Markt! Mimi wollte auch mal an einer Möhre nuckeln. Ich beschloss, ihr Brei zu kochen! Hätte ich lassen sollen.
Ich schnitt Zucchini und Möhren klein, um beides zu dünsten und nebenbei kochte ich eine Kartoffel. Die Möhren kochte ich im Topf, die Zucchini dünstete ich in der Mikrowelle. Der Plan war jedoch so, dass ich das Gemüse einfrieren wollte. Für das Mittagsmahl nahm ich ein paar fertige Würfel Fenchel, Möhre und Zucchini aus dem TK-Fach. Wie ihr ja wisst, hatte sie die letzten Male meinen selbstgekochten Brei verschmäht. Aber ich hatte eine neue Idee: wenn ich die Kartoffel durch ein Sieb streiche, ist sie vielleicht von der Konsistenz freundlicher zu Mimi's Mund.
Ich richtete also ein Chaos an Breigeschmaule in der Küche an, nur mit dem Ergebnis, dass sie mal wieder versuchte, ihren Mund um den darin enthaltenen Brei zu entfernen.
„U – Ahhh! Chcchhhrrr. “
Würde sie ihren Mund umkrempeln können, hätte sie es getan.
Gefrustet wärmte ich ein Glas Gemüsenudeln auf. Ein Teil davon landete später auf meinem Shirt.
Schon 13:00! ARGH.
Baby ins Schlafzimmer, ins Gitterbett. Stellte fest, dass die Möhren noch immer kochten, aber kein Wasser mehr hatten, was sie zum Anlass nahmen, anzubrennen. ARHG! Die Mikrowelle geht ja zum Glück irgendwann aus. Also kippte ich die Möhren in den Müll und stellte die Zucchini in den Kühlschrank weil ich gerade absolut keine Lust mehr zum Brei herstellen hatte.
Bett gemacht, gewaschene Wäsche auf das Bett, nasse Wäsche auf den Wäscheständer, ungewaschene Wäsche, die noch immer auf dem Küchenboden lag, in die Maschine. So.
Geschirrchaos in die Geschirrspülmaschine und diese angeschaltet. Dann wieder mit Baby beschäftigt. Ich setzte sie auf den Flur, während ich dort Dinge wegräumte, denn da lag auch noch diverser Krempel. Zur Beschäftigung stellte ich eine bunte Dose Sonnenspray auf den Boden, die sie dann durch die Küche jagte. Aber dann blieb Mimi unterm Stuhl stecken, denn ein Arm war links vom Stuhlbein, der Rest des Körpers rechts davon und die Dose in unerreichbarer Ferne.
„Wääägaaaaa!“
Gut. Baby geschnappt, kleine Hände gespült, die dort Flusen gefunden hatten. Dose wieder auf den Flur und Baby davor. Weiter gings mit aufräumen. Auf dem Fußboden im Wohnzimmer war noch ein neuer Fleck Babybrei zwischen dem Spielzeug, der aufs Wegwischen wartete.
Inzwischen quengelte Baby Mimi dauerhaft, was für mich das Zeichen war, dass sich möglicherweise ein Schläfchen nähert. Also schnappte ich sie und legte sie in ihr Bettchen, was das Gequengel zum protestierenden Brüllen mutieren lies.
Ich entblößte meine Brüste und hängte mich über das Gitter um das Kind in den Schlaf zu stillen. Ein Mühsames und Rückenschädigendes Unterfangen, was ich mir immer mal abgewöhnen wollte, aber im Laufe der Zeit immer mehr angewöhnt hatte. Denn nichts bringt sie schneller in den Schlaf als ein paar Schluck Muttermilch. Vielleicht schüttet der Mütterliche Körper in Stresssituationen ein spezielles Hormon aus, was Kindern in den Schlaf hilft.
Baby zog mir noch ein paar mal an den Haaren und krallte in meine Ohren, kniff in meinen Hals und trat gegen meine Arme. Dann erschlaffte sie, die Augen gingen zu und der Schlaf war da!
Wie in Zeitraffer wetzte ich durch die Wohnung. Schnappte ein Stück Möhre vom Wohnzimmertisch, stellte Frühstücksgeschirr in die Küche, sammelte die Dose Sonnenspray auf, blickte in den Spiegel und kriegte einen Schreck, weil Strähnenweise die Haare abstanden und nahm mir vor, den Zopf zu richten bevor es klingelt.
Es klingelte.

Also, lieber Besuch: das was du siehst, wenn du meine Wohnung betrittst, ist nicht die Realität!
Die findet hier eine Stunde früher statt.

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