Freitag, 12. September 2014

U5


Ich hatte gerade 4 Löffel Nutella aus dem Glas gelöffelt, während ich das Essen – Nudeln mit Carbonara Soße – kochte. Mimi hatte einen unzufriedenen Abend und wir mal wieder einen aufregenden Tag.

Da ich momentan echt meinen Allerwertesten vergessen würde, wenn er nicht festgewachsen wäre, hatte ich gestern Abend schon alles, was man für den Kinderarztbesuch braucht, eingepackt.
Windeln, Decke, Feuchttücher, Ersatzbody (ja, man lernt aus Fehlern), Untersuchungsheft, Notizbuch, Geldbörse, Nucki... naja irgendwann war die Tasche voll.
Heute Morgen, nachdem ich erst zu spät eingeschlafen bin – etwa gegen 1 – und nachts zu oft auf gewesen war – von 3 bis halb 5 – war der Schlaf auch schon wieder zu früh zu ende. Um 7:15 klingelte der Wecker! Warum müssen Arzttermine immer so früh sein? Während ich duschte, kochte in der Küche das Wasser für einen schönen, starken, schwarzen Tee. Es gibt wirklich nichts genialeres als an einem trüben Spätsommermorgen mit Nebel und 12°C und Wolken und Frösteln, einen Schluck heißen, schwarzen, kräftigen Tees in den Magen rutschen zu spüren!
Nachdem dann alle wach und angezogen waren und gefrühstückt hatten, musste ich nur noch Mimi wecken, die noch im tiefsten Schlummer lag. Natürlich! Wir waren ja auch alle die halbe Nacht lang wach.
Wir verließen die Wohnung pünktlich und hasteten Richtung City. Aber: hatte ich die Wärmelampe ausgemacht? Mimi hatte ein wenig gefroren und da hatte ich sie angemacht, das wusste ich noch. Aber ausgemacht? Oh weh. Mein Freund konnte sich auch nicht erinnern, meinte aber, bis auf eine höhere Stromrechnung könne da nichts passieren. Mit ungutem Gefühl googelte ich heimlich „Wärmelampe vergessen“, fand aber nur Artikel zu Lampen, die von alleine wieder ausgehen, wenn man sie vergessen hatte. Gnaaaa. Aber um wieder nach Hause zu laufen, war der Weg zu weit und wir zu spät dran. Also blieben die Magenschmerzen.
Beim Kinderarzt kamen wir sehr schnell dran. Waren auch die einzigen im Wartezimmer zu so früher Stunde.
Die Arzthelferin gab Mimi bunte Würfel um zu gucken, ob sie sie festhalten würde. Klar, die wurden hin und her gedreht und von jeder Seite einmal probiert. Dann ging sie mit uns die Fragen durch, die klären sollen, ob unser Kind altersgemäß entwickelt ist. Ja, sie reagiert auf Geräusche. Ja, sie greift nach Spielzeug. Ja, sie isst auch Kekse. Ja, sie dreht sich um, wenn sie auf dem Boden liegt...und krabbelt zum nächsten Gegenstand um sich daran hoch zu ziehen, da man viel lieber steht. Sie plappert und imitiert ab und an Geräusche. Also alle so wie es sein muss. Auch Gewicht und Körpergröße sind im Rahmen. Aber als sie gucken wollte, ob sie auch stabil sitzen kann, hatte Mimi keine Lust und rollte immer wieder zu den lustigen Dingen, die da neben dem Untersuchungstisch standen. Sitzen? näääh. Nicht, wenn's da was zu gucken gibt.
Als nächstes kam die Kinderärztin um noch mal alles zu kontrollieren, in Ohren und Mund zu schauen und den Herzschlag zu überprüfen. Alles super. Sie beantwortete auch geduldig und ausführlich die Liste an Fragen, die ich mir notiert hatte. Darf ein Kind in dem Alter Tee trinken? Ja, natürlich. Auch die konsumierte Menge ist vollkommen in Ordnung. Darf ein Kind auch öfter als 2x die Woche Fleisch bekommen? Sie MUSS. Fleisch ist ein wichtiger Eisenlieferant, der darf nicht fehlen. Und Obst darf auch roh gegessen werden. Alles veraltete Regeln. Damit waren schon die drei wichtigsten Aussagen meiner anderen Autoritären Quelle dementiert. Ja, leider hört man immer wieder an allen Ecken und Enden gegenteilige Aussagen, was Ernährung, Erziehung und ähnliches angeht.
Wir waren vollkommen zufriedengestellt was Informationen angeht, da kam noch einmal die Arzthelferin herein und gab uns das U-Heft zurück und ein paar Broschüren.
„Mach's gut, kleine Mimi!“ sagte sie.
„Pfffffrrrrrr!!!“ war die Antwort einer herausgestreckten Zunge.

Danach gingen wir noch ein paar Dinge einkaufen und landeten dann in einem SB-Café wo wir einen Kaffee tranken. Mimi war inzwischen ein wenig unzufrieden, es ging auch schon auf halb 11 zu und ich vermutete ein baldiges Schläfchen. Wir kauften ein Roggenbrötchen, worauf sie ein wenig herumlutschen durfte. Und dann fiel es mir ein: Ich hatte vergessen, sie morgens zu füttern! Ups. Aber sie hatte jetzt ein Brötchen und alles war wieder gut.
So viel zum Thema vergessen.
Die Wärmelampe war jedenfalls aus, die Wohnung nicht in Feuer und Flamme aufgegangen und alles war gut.
Fast. Durch diesen frühen Ausflug kam Mimi komplett aus ihrem Essens-Schlaf-Rhythmus und war ziemlich unzufrieden den restlichen Tag. Nachmittags schlief sie über zwei Stunden und ich konnte sie auch eine Stunde früher abends schlafen legen. Aber die Zwischenzeiten waren sehr anstrengend.

Zum Glück steht in der Küche immer ein großes Glas Nutella!
Und während ich den süßen Löffel ablutschte, dachte ich mal wieder darüber nach, wie stolz ich doch auf mein kleines Mädchen war, das jetzt schon drauf und dran ist, die große Welt auf ihren eigenen Füßen zu erkunden!

Montag, 8. September 2014

Ritter, Reiter, Röstaromen


Es begab sich zu einer Zeit, da die Knechte den Rittern in die Rüstungen halfen. Die Kräuterfrauen ihre Heilkräuter dar boten, die Musketiere ihre Munitionsbeutel füllten und die Marketenderinnen ihre Hauben richteten. Der Herbst bringt hierzulande nicht nur Nüsse an den Bäumen und Äpfel mit Würmern drin, sondern auch beliebte und gut besuchte Mittelaltermärkte.
Einer von diesen illustren Märkten, oder auch Festen, fand am Anfang des Septembers statt.
Schon vor Wochen begannen unsere Vorbereitungen, wir nähten, bastelten und richteten unsere Gewandungen her. Mein Mann trug mit Vorliebe seinen Kilt und dazu passende Accessoires wie Trinkhorn und Tonfläschchen, Ledertasche und Elfenstiefel. Nunja, es sind keine richtigen Elfenstiefel, aber sie sehen ein wenig so aus. Auch Peter Pan hätte seine Freude daran. Aber sie passen unheimlich gut zum Outfit. Ich kombinierte zwei Röcke zu einem netten Lagen-Look, dazu ein kurzer Umhang mit Kapuze und Fell auf den Schultern. Am Rock trug ich meine Kräutersichel und ein Trinkhorn. So waren wir wirklich gut ausgerüstet.
Unsere Mimi bekam leider noch kein tolles Outfit, da es sich nun wirklich nicht lohnen würde, wo sie doch noch nicht laufen kann. Aber wir legten ein großes Schaffell auf das Kinderwagenverdeck um diesen ein wenig dem Anlass anzupassen.
Am Samstag starteten wir mittags, inmitten eines riesigen Unwetters, um diesem in nördlicher Richtung davon zu fahren. Nur um beim Aussteigen aus dem Auto davon wieder eingeholt zu werden. Wir hatten total unauthentische Schirme in der Hand als wir ohne Wegezoll zahlen zu müssen, die Zollstation passierten. Jaha! Mit Gewandung zahlt man keinen Eintritt. Und Gewandung ist in diesem Fall alles, was nicht nach H&M aussieht. Das kann ein Gothic-Outfit sein, oder ein pinkfarbenes Pannesamtkleid, ein Faschings-Plastik-Satin-Kleid, das letzte Halloweenoutfit oder irgendwas, was irgendwie historisch anmutet. Leider. Aber egal, Hauptsache freier Eintritt und Spaß!
Mimi hatte Freude daran, sich die vielen Leute anzuschauen. Wir trafen auch eine Freundin mit ihrer Tochter, mit der wir herum schlenderten. Nur als wir eine Kaffeepause machten und neben uns auf einmal ein Wildschweingesichtiger Riese auftauchte, der mit Dudelsack und Schellen laut Musik machte, bekam sie Angst. Der war aber auch gruselig.
Es war ein gemütlicher Nachmittag mit Met – für meinen Mann, Wasser aus dem Trinkhorn – für mich und Stillspaß unterm Umhang – für Mimi. Denn sie fand es unheimlich lustig, abwechselnd einen Schluck zu trinken und dann unterm Umhang heraus zu gucken um meine Freundin anzugrinsen.
Abends waren wir alle sehr erschöpft.
Was uns jedoch nicht davon abhielt, am Sonntag noch einmal hin zufahren! Das Wetter war schön, warm und trocken und wir schlüpften noch einmal in unsere Kleidung. Die jetzt auch total authentisch nach Feuerrauch stank und voller Schlamm am Saum war. Wir trafen uns wieder mit meiner Freundin, ihrer Tochter und ihrer Mutter.
Als wir zum Kaffeestand gingen, zog ein gewaltiges Unwetter über uns hinweg. Es regnete plötzlich wie aus Eimern und alle Leute verkrochen sich unter den wenigen, überhängenden Dächern. Schnell rannte ich zu meinem Mann, der mit Kinderkarre am Krepp-stand wartete und holte Schirm und Kinderwagenüberzug aus der Tasche. Packte alles regensicher ein und harrte dann wie alle anderen im Regen aus. Bis auf der anderen Straßenseite meine Freundin winkte und gestikulierte und das vor uns stehende Paar lachend auf die Karre zeigte. Wie sich herausstellte, sickerte Wasser durch den undichten Reißverschluss des Regenüberzugs. Und Mimi, gar nicht mal dumm, weiß: wenn man baden geht, muss man sich ausziehen. Sie hatte sich einen Schuh ausgezogen und ihn beim dritten Versuch geschafft aus ihrem kleinen Guckloch zu werfen. Der war natürlich nass. Aber das war auch nicht wirklich ausschlaggebend, denn Mimi freute sich bereits über das Bad in ihrer Karre.
Kurz darauf – ein Glück – hörte es auf zu Gatschen und wir konnten Kind und Karre sortieren. Ich hatte einen Ersatzpulli eingepackt und einen dicken Pulli zum Überziehen. Aber selbstverständlich weder Ersatzhose noch Body. Aber ein halb Nacktes Kind mit Pulli und Kapuzenpulli am Hintern, wobei die Kapuze die Füße wärmt, ist auch glücklich. Ihre Kuscheldecke ist trocken geblieben und Spaß hatte sie sowieso. Alles was mit Wasser zu tun hat, findet sie ja klasse. Bei Regen streckt sie auch ihre Zunge raus um Tropfen aufzufangen.
Auch die Tochter meiner Freundin hatte ihren Spaß. Während wir am Met-Stand warteten, grub sie in Seelenruhe im Schlamm zu unseren Füßen, denn sie hatte einen Regenwurm entdeckt. Zur Freude aller Umstehenden präsentierte sie ihn auch allen und brachte ihn dann in Sicherheit unter einen Busch.
Ja, da kommen noch lustige Dinge auf mich zu, dachte ich mir. Man darf ja da auch keinen Ekel zeigen. Hatte ich letztens doch schon erlebt, wie Mimi mit Neugier eine Schnake patschte, die an der Balkontür auf und nieder schwirrte. Brr. Vor Schaudern konnte ich kaum gucken. Aber so habe ich immerhin wieder einen Schnakenjäger im Haus, der Kater ist ja in die Jahre gekommen und mag nicht mehr so richtig.
Das tolle bei unserem Kind ist jedoch, dass man den ganzen Tag lang irgendwo herumlaufen kann und sie sich nicht dran stört. Weder Kanonenschüsse noch Festumzüge mit Posaunen und Trompeten, Menschenmengen, Geschrei und Gewusele, nichts bringt sie aus der Ruhe und überall findet sie im Gewühl auch noch ein Schläfchen! Bei Langeweile holten wir sie aus der Karre und ließen sie an den Händen ein paar Schritte laufen. Oder sie bekam einen Fruchtbrei am Rande der Lagerzelte. Was natürlich immer zu Entzückungsrufen der Bevölkerung führte. Was für ein niedliches Kind!
Nur das Autofahren findet sie manchmal ein wenig blöde: nach einem aufregenden Tag eine halbe Stunde lang dumm Rumsitzen und nichts sehen. So auch wieder an diesem Tage.
Langsam steigerte sich das letztens gelernte „A-bab-bab-baaa“ zu einem „Maaaaa – Maaaaa – babÄÄÄÄÄÄÄHH!“
Doch dieses Mal hatte der Mittelaltermarkt eine Lösung für die Ungeduld: Der Papa hatte ihr eine Schellenkette gekauft, mit der sie herumklimperte und an deren Glöckchen sie nuckelte bis wir zu Hause waren.